Bypass-OP

Portrait von Dr. Ulf Jonas
Arzt für Innere Medizin, Kardiologie, Notfallmedizin und Sportmedizin

Stellv. Ärztlicher Direktor

Zuletzt aktualisiert: 29.04.2024 | Lesedauer: ca. 10 Min.

Bei einer Bypass-Operation erfolgt eine Umgehung von verengten Blutgefäßen. Der Bypass („Umleitung“) führt das Blut an einer Engstelle der Herzkranzgefäße vorbei, sodass der Blutfluss weiterhin sichergestellt wird. Die Operation kann entweder am offenen Herzen oder minimal-invasiv erfolgen und zählt zu den gängigsten Verfahren der Herzchirurgie. Die Anzahl der Bypass-Operationen bei Patient:innen über 70 Jahren nimmt stetig zu. Nach dem Eingriff kann eine ambulante oder stationäre Reha helfen, die Genesung zu beschleunigen und weiteren Herzproblemen vorzubeugen.

Was ist eine Bypass-OP?

Als Bypass bezeichnet die Medizin eine Umgehung von Blutgefäßen, die operativ angelegt wird. Ein Bypass wird meistens an den Herzkranzgefäßen des Herzens eingesetzt, damit der Herzmuskel ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird. Die Operation lässt sich aber auch an anderen Blutgefäßen durchführen.

Die Bypass-OP stellt die am häufigsten vorgenommene Herzoperation in der westlichen Welt dar. Durch einen Herz-Bypass wird die Sauerstoffversorgung des Herzens wiederhergestellt oder zumindest verbessert. In der Medizin ist von einem aortokoronaren Bypass (ACB) die Rede, weil sein Verlauf von der Aorta (Hauptschlagader) zu einer Koronararterie (Herzkranzgefäß) reicht. Dafür werden geeignete körpereigene Schlagadern genutzt (ACB) oder eine Vene, die meist am Bein entnommen wird (ACVB). Auf diese Weise werden verschlossene oder verengte Gefäßteile überbrückt.

Wann ist eine Bypass-Operation notwendig?

Zu den häufigsten Gründen für eine Bypass-OP zählt die koronare Herzerkrankung (KHK). Allein in Deutschland sind rund eine Million Bürger:innen von ihr betroffen. Dabei sind ein oder mehrere Herzkranzgefäße verengt oder sogar ganz verschlossen. Erhöhter Blutdruck, Stoffwechselerkrankungen oder Rauchen begünstigen die Entstehung der koronaren Herzerkrankung. Durch die Arterienverkalkung (Atherosklerose) setzen sich Ablagerungen an den Gefäßwänden fest.

Besonders Männer im Alter zwischen 50 und 60 sind von dieser Herzerkrankung betroffen. Generell zeigt sich die koronare Herzerkrankung zumindest im jüngeren Alter bei Männern häufiger als bei Frauen.

Die Verengungen führen dazu, dass der Herzmuskel nicht mehr mit ausreichend Sauerstoff und Blut versorgt wird. Bemerkbar macht sich dies durch ein Engegefühl in der Brust sowie Atemnot, was die Ärzte als Angina pectoris bezeichnen. Mögliche Folgen der KHK können auch eine Herzinsuffizienz oder Herzrhythmusstörungen sein. Verschließt sich das Herzkranzgefäß komplett, droht ein lebensgefährlicher Herzinfarkt.

Ein Bypass kann auch bei einzelnen Verengungen (Stenosen) der Herzgefäße notwendig sein, wenn die verengte Stelle durch einen Katheter nicht gut zu erreichen ist.

Ablauf der Bypass-Operation

Die Medizin unterscheidet zwischen einer Bypass-Operation am offenen Herzen sowie einer minimal-invasiven Bypass-OP. Im Vorfeld führen die Ärzte und Ärztinnen 

  • eine Herzkatheter-Untersuchung,
  • ein Herzultraschall (Echokardiogramm),
  • Blutuntersuchungen,
  • ein Elektrokardiogramm (EKG) sowie
  • eine Röntgenuntersuchung durch,

um die Verengungen genau zu lokalisieren. Außerdem können erfahrene Chirurg:innen durch die Voruntersuchungen entscheiden, ob eine Operation am offenen Herzen oder ein minimal-invasiver Eingriff für den Patienten oder die Patientin besser geeignet ist.

Im Rahmen einer Bypass-Operation am offenen Herzen, die immer unter Vollnarkose stattfindet, eröffnet der Chirurg oder die Chirurgin zunächst den Brustkorb der Länge nach. Nach dessen Freilegung erfolgt das Öffnen des Herzbeutels. Gleichzeitig wird von einem weiteren Chirurgen oder einer weiteren Chirurgin ein Blutgefäß vorbereitet, das anschließend für den Bypass verwendet wird. Üblicherweise handelt es sich dabei um eine Beinvene oder eine Brustwand- bzw. Unterarmarterie.

Zum präzisen Anlegen des Bypass ist es nötig, die Herzkranzgefäße stillzulegen. Dazu stehen der Anschluss an eine Herz-Lungen-Maschine oder die Off-Pump-Coronary-Artery-Bypass -Methode (OPCAB) zur Verfügung. Beim Einsatz der Herz-Lungen-Maschine (HLM) wird von dieser die Pumptätigkeit des Herzens und die Lungenfunktion für einen gewissen Zeitraum übernommen. Mit diesem Vorgehen lässt sich der Kreislauf aufrechterhalten.

Über ein Schlauchsystem pumpt die HLM das Blut ab und führt es mit angereichertem Sauerstoff wieder zurück in den Organismus. Durch eine Kardioplegie-Lösung lässt sich das Herz währenddessen stilllegen. Bei der Off-Pump-Coronary-Artery-Bypass-Methode ist die Herz-Lungen-Maschine überflüssig. So wird die Herzoberfläche durch Stabilisatoren ruhiggestellt, wodurch sich der Eingriff bei schlagendem Herzen vornehmen lässt.

Nachdem der Bypass gelegt wurde, überprüft der oder die Chirurg:in, ob das Blut problemlos durch die Umleitung fließen kann. Erst nach dieser Überprüfung wird die Herz-Lungen-Maschine entfernt und der Brustkorb verschlossen.

Als Alternative zur Operation am offenen Herzen gilt die minimal-invasive Bypass-OP, in deren Rahmen der Brustkorb nicht komplett eröffnet werden muss. Das Einsetzen des Bypass erfolgt mit einem Endoskop, sodass nur kleine Schnitte erforderlich sind. In den letzten Jahren wurde die minimal-invasive Bypass-OP zunehmend populärer, weil sie als schonender gilt als die offene Operation. Auch die Genesungsdauer fällt zumeist kürzer aus. So nimmt der Aufenthalt auf der Intensivstation weniger Zeit in Anspruch und der Patient oder die Patientin kann das Krankenhaus rascher verlassen. Darüber hinaus ist das Infektionsrisiko aufgrund der kleineren Wundfläche geringer. Allerdings richtet sich die Durchführbarkeit des minimal-invasiven Verfahrens nach dem Ausmaß und der Position der Engstellen an den Herzkranzgefäßen.

Schematische Darstellung eines Blutgefäßes, welches durch Ablagerungen an der inneren Wandschicht verengt wird.

Wie lange dauert eine Bypass-Operation?

Je nach Operationsmethode variiert die Dauer einer Bypass-OP von einer Stunde bis zu fünf Stunden. Im Durchschnitt werden für diesen komplexen Eingriff 3,5 Stunden benötigt.

Ist es notwendig, im Krankenhaus zu bleiben?

Eine Bypass-Operation ist ein großer Eingriff, weshalb ein Krankenhausaufenthalt notwendig ist. Nach der Operation verbringen die Patient:innen mind. einen Tag auf der Intensivstation. Danach erfolgt die Verlegung auf die herzchirurgische Normalstation. Bereits dort beginnt die Mobilisation der Patient:innen durch Physiotherapie. Im Regelfall dauert der Krankenhausaufenthalt 6 bis 8 Tage.

Lebenserwartung nach der Bypass-Operation

Sofern es vor dem Eingriff nicht zu Schädigungen des Herzmuskels durch einen Herzinfarkt kam, entspricht die Lebenserwartung der eines gesunden Menschen. Auch die körperliche Leistungsfähigkeit lässt sich komplett wiederherstellen. Der Patient oder die Patientin ist in der Lage, das Herz zu belasten, ohne dass Schmerzen auftreten, sodass dem gewohnten Alltag nachgegangen werden kann.

Wichtig ist jedoch, dass die Betroffenen nach der Operation einen gesunden Lebensstil pflegen und sich viel bewegen. Dadurch kann der Verlauf nach der Operation positiv beeinflusst werden. Mindestens einmal im Jahr empfiehlt sich eine Kontrolluntersuchung.

Schematische Darstellung des menschlichen Brustkorbs mit Hervorhebung des Herzens und den Herzkranzgefäßen.

Risiken und Komplikationen

Wie bei jedem anderen chirurgischen Verfahren besteht auch bei einer Bypass-OP die Gefahr von Komplikationen. Am höchsten ist das Risiko, wenn ein Notfalleingriff notwendig ist oder schon einmal eine Herzoperation durchgeführt wurde. Auch weitere Erkrankungen wie Stoffwechselerkrankungen oder Krankheiten der Lunge oder der Nieren können das Risiko für Komplikationen erhöhen. Seit einigen Jahren sinkt die Komplikationsrate jedoch beständig ab und beträgt nur noch ein bis zwei Prozent. Zu den häufigsten Risiken zählen:

  • ein Herzinfarkt oder Schlaganfall während des Eingriffs
  • Herzrhythmusstörungen
  • Nachblutungen im Herzbeutel
  • Wundinfektionen
  • Kurzatmigkeit nach der Operation

Sollten nach einer Bypass-OP folgende Symptome auftreten, müssen sofort eine Ärztin oder ein Arzt aufgesucht werden:

  • schlimmer werdende Schmerzen im Bereich der Wunde, Rötungen oder Blutungen
  • Fieber
  • Herzrasen

Medizinische Nachsorge

Direkt nach der Operation werden die Patient:innen in der Regel für ein bis zwei Tage zur Beobachtung auf die Intensivstation verlegt. Der gesamte Krankenhausaufenthalt kann etwa sieben bis vierzehn Tage betragen. Im Anschluss an den stationären Krankenhausaufenthalt findet die kardiologische Rehabilitation in einer Rehaklinik statt.

Auch nach der Reha sollten die Patient:innen regelmäßige Kontrolluntersuchungen wahrnehmen, bei denen ein EKG, Blutdruckkontrollen, Blutfett- und Cholesterinüberprüfungen sowie gegebenenfalls ein Ultraschall stattfinden können.

Nach der Operation kann außerdem die langfristige Einnahme von Medikamenten notwendig sein, um erneuten Blutgerinnseln vorzubeugen. Dafür erhalten die Patient:innen in der Regel sogenannte Thrombozytenaggregationshemmer wie zum Beispiel Acetylsalicylsäure (ASS).

Leben nach der Bypass-OP

Bei den meisten Patient:innen sehen die Erfolgsaussichten nach einer Bypass-Operation positiv aus. So sind bei rund 90 Prozent aller Behandelten auch nach 20 Jahren die Arterienbypässe noch immer durchgängig.

Ein möglichst gesunder Lebensstil kann dabei helfen, den Erfolg der Bypass-OP langfristig beizubehalten. Dazu gehören gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung sowie Verzicht auf Rauchen und Alkohol. In den ersten Monaten nach der Operation sollte das Brustbein nicht durch einseitiges Tragen oder einseitiges Abstützen belastet werden. Auf Baden und Schwimmen sollten die Patient:innen für mindestens sechs Wochen verzichten, um die Wunden zu schonen.

Nach 6 Wochen ist es den Patient:innen meist wieder möglich, ein Auto zu fahren (Verkehrsmediziner empfehlen eine Wartezeit von 12 Wochen).

Reha nach der Behandlung

Nach überstandener Bypass-OP begeben sich die Patient:innen zumeist in eine Rehabilitationsklinik. Dort wird ihnen vermittelt, sich auf die Erkrankung einzustellen und bestimmte Risikofaktoren in Zukunft zu vermeiden oder zu optimieren.

Die Reha kann sowohl stationär als auch ambulant stattfinden und trägt dazu bei, weiteren Herzproblemen vorzubeugen. In der Regel nimmt die Reha nach einer Bypass-OP drei bis vier Wochen in Anspruch. Zu Beginn des Aufenthalts erfolgen einige Eingangsuntersuchungen, um einen genauen Überblick über den aktuellen Gesundheitszustand zu bekommen. Dabei werden sowohl körperliche als auch psychische Symptome abgefragt und untersucht. Welche Reha-Maßnahmen in der kardiologischen Reha durchgeführt werden, ist verschieden. Anhand der Eingangsuntersuchung wird ein individueller Behandlungsplan erstellt.

Der Patient erhält eine professionelle Betreuung durch verschiedene Berufsgruppen wie Mediziner:innen, Psycholog:innen, Physiotherapeut:innen, Ernährungsberater:innen und Sozialarbeiter:innen. Die Angebote beinhalten körperliche Angebote wie

  • Physio- und Ergotherapie,
  • Lauftraining,
  • Gymnastik,
  • Massagen oder
  • Spaziergänge.

Auch Bildungsangebote wie Ernährungsberatung, Kursangebote zur Vermeidung von Risikofaktoren und allgemeine Informationen zur Erkrankung können die Patient:innen in Anspruch nehmen. Sollten psychologische Symptome vorliegen, können außerdem psychologische Beratungen stattfinden. Für Patienten und Patientinnen, die eine Rückkehr ins Berufsleben anstreben, gibt es sozialmedizinische Beratungen. Die Behandlungen umfassen in den meisten Kliniken etwa vier bis sechs Stunden täglich.

Fazit

Die Bypass-Operation gehört zu den erfolgreichsten Verfahren der Herzchirurgie. Durch fortschrittliche Operationsmethoden kann der Eingriff in der Regel schnell und komplikationslos erfolgen. Wichtig für ihr Gelingen ist auch die Nachbehandlung in einer Rehaklinik, in der dem Patienten grundlegende Erkenntnisse über die weitere Lebensweise vermittelt werden und die Rückkehr in den Alltag somit erleichtert.