Fast zehn Prozent der Erwachsenen in Deutschland leiden unter chronischem Schmerz. Eine psychologische Schmerztherapie könnte diesen Betroffenen helfen. Chronischer Schmerz ist ein Schmerzbild, bei dem die Beschwerden länger als 3 Monate andauern, die Verbindung zu physischen Auslösern nicht greifbar ist oder das Schmerzerleben qualitativ und quantitativ überproportional ausgeprägt zu den diagnostisch fassbaren Schäden ist.
Für die Betroffenen ergeben sich daraus zahlreiche Einschränkungen in der Alltags- und Arbeitsbewältigung, besondere soziale und emotionale Beanspruchungen und eine stark verminderte Lebensqualität.
Bis Mitte der 80er Jahre wurden chronische Schmerzen klinisch und wissenschaftlich gesehen vernachlässigt und rein medikamentös behandelt. In den letzten 25 Jahren jedoch hat die Forschung und Behandlung der chronischen Schmerzen einen Aufschwung erfahren, insbesondere werden Schmerzbilder aus unterschiedlichen fachlichen Perspektiven, also multimodal betrachtet.
Mit Hilfe der modernen bildgebenden Verfahren sind Schnittstellen zwischen der somatischen Schmerzwahrnehmung und den korrespondierenden emotionalen und affektiven Prozessen im Gehirn bildlich darstellbar. Damit lässt sich erklären, wie psychische Zustände und Gefühle, etwa Traurigkeit, Einsamkeit, Ängste und Hilflosigkeit, direkte Auswirkungen auf die Wahrnehmung der Schmerzstärke haben. Die Wahrnehmung kann so ungünstige Verhaltensmuster begünstigen, die an der Aufrechterhaltung von Schmerzen beteiligt sein können. In der psychologischen Schmerztherapie werden diese Verhaltensmuster gemeinsam analysiert und versucht, sie zu verändern.
Bei der multimodalen Schmerztherapie kommen unterschiedliche Behandlungsansätze und -methoden zum Einsatz:
Die theoretische Grundlage der multimodalen Schmerztherapie ist das Biopsychosoziale Modell. Das Modell beschreibt den Zusammenhang zwischen Wahrnehmung, Erleben und Verarbeitung von Schmerzen und den biologischen (Überlastung, Schonung), psychischen (Ängste, Stress) und sozialen (Ausgrenzung, Konflikte, Unverständnis) Faktoren.
Psychologische Schmerztherapie kommt in nahezu allen Rehabilitationskonzepten zum Einsatz, in denen es um die Behandlung von chronischen Schmerzen geht. Die folgende Aufstellung von Indikationen hat nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll einen Überblick über sinnvolle Indikationen geben.
Rheumatologische Rehabilitation:
Orthopädische Rehabilitation:
Psychosomatische Rehabilitation:
Neurologische Rehabilitation
Onkologische Rehabilitation
Gynäkologische Rehabilitation
Ziel jeder psychologischen Schmerztherapie nach dem Biopsychosozialen Modell ist es, die negativen und einschränkenden Folgen der chronischen Schmerzen so zu verringern, dass die Lebensqualität steigt. Dazu wird das Verständnis der Patient:innen für die eigenen körperlichen und psychischen Prozesse mit Schmerzbeteiligung weiter entwickelt.
Das Selbstkonzept im Umgang mit Schmerzen, die Selbstwirksamkeitserwartung, das Selbstwertgefühl und das optimistisch-realistische Denken werden gestärkt. Schmerzakzeptanz und -bewältigung werden eingeleitet.
Zu Beginn werden den Patient:innen wichtige Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung in verständlicher Form nahe gebracht. Dazu gehören zum Beispiel:
Anhand von Übungen werden Aufmerksamkeitslenkung, Schmerzbewältigung und Achtsamkeit vertieft.
Wichtige Ansätze zur Schmerzlinderung sind:
Ein weiterer wichtiger Inhalt ist die Auswirkung von inneren Einstellungen auf Motivation und Selbstverpflichtung (Commitment und Compliance) und damit die Wirkweise von wichtigen Komponenten der Schmerztherapie auf die Schmerzbehandlung.
Viele Schmerzpatient:innen berichten von einer ablehnenden Haltung Medikamenten gegenüber und/oder fühlen sich von bewegungsorientierten Behandlungen überfordert. Hier kann die psychologische Schmerztherapie einen Ausgleich schaffen.
Grundvoraussetzungen für die Teilnahme an einer psychologischen Schmerztherapie sind:
In der medizinischen Rehabilitation ist die Durchführung der psychologischen Schmerztherapie in Kleingruppen von 5 bis 10 Patient:innen empfehlenswert. Die Patient:innen profitieren vom Erfahrungsaustausch mit ebenfalls Betroffenen und machen die Erfahrung, mit ihrer Problematik nicht alleine zu sein. Das Klären von Fragen und Übungen ermöglichen persönliche neue Erkenntnisse, die im Einzelsetting so nicht möglich wären. Ein zeitlicher Umfang von 4 x 60 Minuten gewährleistet die Heranführung an die wichtigsten Ansätze.
Dazu kommen Vorträge über Stressbewältigung und -vermeidung und Entspannungsverfahren. Die Patient:innen lernen Entspannungsverfahren unter professioneller Anleitung kennen. Um komplexere Problemstellungen im Zusammenhang mit Erkrankungen und Schmerzwahrnehmung anzugehen, sind psychologische Einzelgespräche möglich.
Möchten Patient:innen im Anschluss an die medizinische Rehabilitation ihre Erkenntnisse und Erfahrungen mit der psychologischen Schmerztherapie vertiefen, besteht die Möglichkeit, eine ambulante psychologische Schmerztherapie im Gruppen – oder Einzelsetting in Anspruch zu nehmen. Auch Selbsthilfegruppen und Angebote von Vereinen (wie z. B. der Rheumaliga) können bei der Umsetzung hilfreich sein.
Eine psychosomatische Schmerztherapie befasst sich mit der Behandlung von Schmerzen, bei denen psychische Faktoren im Vordergrund stehen, wie z.B. Stress, Angst oder Depressionen. Sie kombiniert medizinische und psychologische Ansätze, um Schmerzen zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern.
Eine Schmerzpsycholog:in unterstützt Patient:innen dabei, den Zusammenhang zwischen psychischen Faktoren und ihren Schmerzen zu verstehen und zu bewältigen. Sie bieten psychotherapeutische Unterstützung, Entspannungstechniken und Bewältigungsstrategien an, um Schmerzen zu reduzieren und den Umgang damit zu erleichtern.
Eine Schmerztherapie kann verschiedene Behandlungsansätze umfassen, darunter medikamentöse Therapien, physikalische Therapie, Psychotherapie, Entspannungstechniken, Verhaltensänderungen, Akupunktur und andere alternative Behandlungsmethoden. Das Ziel ist es, die Schmerzen zu lindern, die Funktionalität zu verbessern und die Lebensqualität zu steigern.
Ja, psychische Faktoren wie Stress, Angst, Depressionen und traumatische Erfahrungen können körperliche Schmerzen auslösen oder verstärken. Dies wird oft als somatoforme Schmerzstörung oder psychosomatische Schmerzstörung bezeichnet, bei der die Schmerzen keinen eindeutigen körperlichen Ursprung haben.
Die Diagnose psychosomatischer Schmerzen erfolgt durch eine gründliche ärztliche Untersuchung, bei der körperliche Ursachen für die Schmerzen ausgeschlossen werden. Typischerweise treten psychosomatische Schmerzen in Situationen auf, die mit emotionalen Belastungen verbunden sind und sind unverhältnismäßig stark oder schwer zu lokalisieren.