Hirnblutung

Zuletzt aktualisiert: 04.09.2024 | Lesedauer: ca. 10 Min.

Unter einer Hirnblutung verstehen Ärzte verschiedene Blutungen des menschlichen Gehirns. Es handelt sich also um einen Oberbegriff. In der humanmedizinischen Literatur wird dabei zwischen intrakraniellen Blutungen (Hirnblutung im Schädelinnern), intrazerebralen Blutungen (Blutungen, die unmittelbar im Bereich des Gehirns auftreten) und extrazerebralen Blutungen (Hirnhautblutungen) unterschieden.

Definition: Was ist eigentlich eine Hirnblutung?

Mediziner unterscheiden zwischen drei verschiedenen Hirnblutungen:

Von einer intrazerebralen Hirnblutung wird gesprochen, wenn die Blutung unmittelbar im Bereich des Gehirns auftritt. In der Regel werden intrazerebrale Blutungen nicht durch traumatische Umstände wie etwa Unfälle verursacht, sondern treten plötzlich auf. Das charakteristische Merkmal dieser Blutung ist ihre Lage im Hirngewebe, dem sogenannten Parenchym. Je nach Ursache, Intensität und Lokalisation der Blutung ist eine weitere Einteilung möglich.

Im Gegensatz zu intrazerebralen Blutungen treten intrakranielle Blutungen im Schädelinnern auf. Hier kann es, z. B. nach Schädel-Hirn-Traumen, zu Blutungen zwischen Gehirn und Schädelknochen, einem epiduralem Hämatom kommen. Funktionelle Folgen treten durch die Raumforderung und den Druck auf jeweils unterschiedliche Hirnregionen auf.

Extrazerebrale Hirnblutungen bilden den dritten Blutungstyp. Die Literatur teilt diese wiederum in zwei Untergruppen ein. Entsteht bei dem Betroffenen ein Bluterguss unterhalb der Hirnhaut, wird von einer Subduralblutung gesprochen, die auch als Subduralhämatom bezeichnet wird. Im Gegensatz dazu liegt die Subarachnoidalblutung unterhalb der Spinngewebshaut (Arachnoidea) außerhalb des Gehirns. Bei dieser Blutung, gehäuft durch Gefäßaussackungen (Aneurysmen) der Blutgefäße des Gehirns, ist Blut im Gehirnwasser (Liquor) nachweisbar.

Unterschied zwischen einer Hirnblutung und einem Schlaganfall

Blutungen im Kopf werden als Hirnblutungen bezeichnet. Bei einem Schlaganfall  (Hirnschlag) werden bestimmte Bereiche im Gehirn nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Es liegt bei einem Schlaganfall also eine Mangeldurchblutung  vor aber es tritt kein Blut aus. Eine Hirnblutung in einem Bereich des Gehirns (z. B. durch ein Aneurysma) kann aber Ursache für eine Unterversorgung eines anderen Bereichs im Gehirn mit Blut bzw. Sauerstoff sein und somit einen Schlaganfall auslösen. Insbesondere führt eine Hirnblutung jedoch durch die lokale Schädigung von Gehirngewebe und sekundär durch ihre raumfordernde Wirkung und Verdrängung von gesundem Gehirngewebe zu funktionellen Störungen. Hier kann das Gehirngewebe nur begrenzt ausweichen, da es durch den starren Schädelknochen begrenzt wird.

Darstellung einer Blutung im menschlichen Gehirn.

Symptome: Woran Sie eine Hirnblutung erkennen

Hirnblutungen führen zu einer massiven Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit. Die Mehrzahl der Betroffenen klagt über Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen.

Hirnblutungen können mit einem Schlaganfall  einhergehen, weswegen die typischen Symptome eines Schlaganfalls auch auf eine Hirnblutung hinweisen können. Diese sind:

  • akute Lähmungen
  • plötzliches, starkes allgemeines Unwohlbefinden und Schwäche
  • plötzlicher Schwindel und Koordinationsstörungen
  • plötzliche Sprach- und Empfindungsstörungen
  • plötzliche Sehstörungen und Probleme bei der Atmung
  • akute Bewusstlosigkeit und Störungen des Bewusstseins

Diagnose einer Hirnblutung

Hirnblutungen können nicht ausschließlich durch die Zuordnung objektiver Symptome diagnostiziert werden, da sie äußerlich nicht sichtbar sind. Eine belastbare Diagnose erfordert deshalb stets die Durchführung bildgebender Verfahren wie Computertomographie (CT), Magnetresonanztomographie (MRT) oder seltener einer Gefäßdarstellung (Angiographie).

Die standardisierte Erstversorgung greift in der Regel auf eine CT-Aufnahme zurück, da das Verfahren Ergebnisse schneller als eine MRT liefert. Sowohl CT als auch MRT ermöglichen es den behandelnden Ärzten, Lage und Größe der Hirnblutung zu bestimmen. Größenveränderungen können durch eine Wiederholung des bildgebenden Verfahrens zu einem späteren Zeitpunkt festgestellt werden.

Nach dem gegenwärtigen Stand der Medizin sind MRT-Untersuchungen vor allem dann indiziert, wenn der Patient stabilisiert wurde, denn im Gegensatz zu einer CT kann eine MRT auch ältere Blutungen sowie Aneurysmen oder ähnliche Fehlbildungen darstellen.

Krankheitsverlauf und Prognose

Der Verlauf einer Hirnblutung ist stark einzelfallabhängig. Wesentliche Faktoren, die den Krankheitsverlauf massiv beeinflussen, sind

  • das Alter,
  • der Allgemeinzustand,
  • eventuell bestehende Grunderkrankungen sowie besonders
  • die Lage und Art der Hirnblutung.

Medizinische Studien haben gezeigt, dass die Sterblichkeitsrate bei kleineren Hirnblutungen zwischen 30 Prozent und 50 Prozent (Letalitätsrate) liegt. Ausgedehnte Hirnblutungen führen noch häufiger zum Tod. Bei einer großen Anzahl der Patienten, die eine Hirnblutung überleben, kommt es zu langfristigen bis dauerhaften Folgeschädigungen wie

  • Lähmungen von Arm und Bein,
  • Sprachstörungen (Sprechen und Verstehen),
  • Störungen von Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Planungsfähigkeit (sog. neuropsychologische Störungen) und
  • weiteren geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen.

Behandlung einer Hirnblutung

Hirnblutungen sind medizinische Notfälle. Folglich spielt der Faktor Zeit bei der Behandlung eine wesentliche Rolle. Je länger die Einleitung einer adäquaten Behandlung dauert, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit des Todes oder die für den Verbleib von Folgenschäden. Beim konkreten Verdacht einer Hirnblutung ist deshalb sofort das nächste Krankenhaus aufzusuchen bzw. der Notarzt zu rufen. Die Klinik sollte über eine medizintechnische Ausstattung verfügen (Stroke-Unit), die eine entsprechende Diagnose und Behandlung ermöglicht.

Am Anfang der Akutbehandlung versuchen die Ärzte zunächst, den Patienten zu stabilisieren. Da die Gehirnfunktionen der Betroffenen u.a. mit dem Atemzentrum beeinträchtigt sind, müssen sie häufig künstlich beatmet werden. Kommt es wegen der Hirnblutung zu einer Erhöhung des Schädelinnendrucks, muss zwingend eine Operation eingeleitet werden. Im Rahmen dieser OP öffnen die Neurochirurgen einen Teil des Schädelknochens, um die Blutung zu stillen und Blutergüsse zu entfernen. Um massive Blutverluste auszugleichen, kann die Gabe von Blutkonserven notwendig sein.

Rehabilitation nach der Akutbehandlung

Wenn der Patient die kritische Phase überstanden hat, beginnt die rehabilitative Langzeitbehandlung. Hier werden verschiedene Maßnahmen eingeleitet, um das Ausmaß der Folgeschäden zu begrenzen und eine weitere Blutung zu verhindern. Durch umfassende Rehabilitationsmaßnahmen  versuchen die Therapeuten, Mitarbeiter im Pflegedienst (therapeutisch-aktivierende Pflege) und Ärzte, geistige und körperliche Funktionsstörungen zu beseitigen bzw. deren Auswirkungen auf die Lebensqualität zu begrenzen. Je eher die Rehabilitationsmaßnahme in einer neurologischen Fachklinik beginnt, desto größer ist die Chance, Folgeschäden einer Gehirnblutung zu vermeiden oder zu verringern.

Während der Rehabilitation werden Betroffene selbstverständlich medizinisch betreut. Neben dem ärztlichen Gespräch und der Beratung gehört die angepasste Medikation dazu.

Unser Gehirn steuert und überwacht körperliche und geistige Funktionen. Daher sind Lähmungen, Gefühlsstörungen, aber auch Sprach- und Gedächtnisstörungen als Folge möglich. In der Rehabilitation werden diese intensiv untersucht und behandelt. Das Gehirn bleibt bis ins hohe Alter lernfähig. Wissenschaftlich angenommen wird, dass verschont gebliebene Gebiete des Gehirns Aufgaben übernehmen und eher leicht geschädigte Regionen sich sogar teilweise erholen können.

Hirnblutungen können Menschen in jedem Lebensalter treffen.

Kinder und Jugendliche bedürfen in der Regel einer speziellen neuropädiatrischen Rehabilitation. Der sich noch entwickelnde Körper und Geist benötigt kindgerechte Therapien. Bezugsperson und Eltern bedürfen häufig ebenfalls einer langen Unterstützung bezüglich der Krankheitsbewältigung. In einer neuropädiatrischen Reha-Klinik oder sonstigen Einrichtung werden sie in das Therapiekonzept für ihre Kinder miteinbezogen. Teilweise ist bei schwergradigen Verläufen auch ein Schulwechsel notwendig. Im Rahmen der Rehabilitation werden die Kinder und Jugendlichen auch häufig in einer "Klinikschule" unterrichtet.

Erreichen der Reha-Ziele

Voraussetzung für das Erreichen der Reha-Ziele ist gezieltes Üben mit therapeutischer Hilfe und das Entwickeln einer guten Selbsteinschätzung des Betroffenen. Da unser Gehirn auch unsere Persönlichkeit bestimmt und damit unsere Fähigkeit zur Selbsteinschätzung, kann eine Gehirnblutung auch zu einer Fehleinschätzung der eigenen Fähigkeiten führen. Therapeuten, spezialisierte Mitarbeiter im Pflegedienst und Ärzte helfen Betroffenen und Angehörigen dabei, die richtigen Übungen auszuführen und eine angemessene Wahrnehmung der eigenen Stärken und Schwächen zu entwickeln.

Die moderne Therapie erfolgt durch viele hochspezialisierte Therapeuten, die sich intensiv und regelmäßig abstimmen. Ergotherapie, Physiotherapie, Sporttherapie, Kunst- und Musiktherapie, Logopädie, balneophysikalische Therapie, Neuropsychologie und klinische Psychologie, Gartentherapie sowie die Heilpädagogik/Pädagogik stehen Betroffenen zur Seite.

Die Therapie benutzt heute bei Bedarf moderne Robotikgestützte Geräte, um beispielsweise das Laufen oder die Armfunktionen (Greifen etc.) zu verbessern. Regelmäßige Wiederholungen helfen dem Gehirn, verlorengegangene Fähigkeiten neu zu lernen. Zur Verbesserung der geistigen Funktionen (Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Planungsfähigkeit, Problemlösen und Sprache) werden ebenfalls wissenschaftlich überprüfte Methoden, beispielsweise in der Neuropsychologie, angewendet. Oft werden dabei moderne Computerprogramme eingesetzt.

Sehr bedeutsam sind auch die Eigenübungen der Betroffenen. Therapeuten geben hierzu gezielt Anleitung – auch für das Eigentraining nach dem Klinikaufenthalt.

Kind übt im Lokomat den Gang nach einer Hirnblutung.

Perspektive

Schwere Hirnblutungen verändern die Lebensperspektive und -planungen. Psychologen, Sozialarbeiter und Ärzte unterstützen Betroffene und die Familie bei der Entwicklung von Perspektiven. Oberstes Ziel ist die Rückkehr in das familiäre Umfeld, an den Arbeitsplatz oder in das schulische Leben, um Betroffenen eine größtmögliche Selbstständigkeit zu ermöglichen. Falls erforderlich, werden Anträge auf Hilfsmittel oder bauliche Veränderungen in den eigenen vier Wänden, auf sozialrechtliche Maßnahmen oder auf Unterstützung bei der Pflege bereits während des Reha-Aufenthalts gestellt. Schulungen und Pflegetrainings der Familialen Pflege bereiten Angehörige auf die neue Situation Pflege zu Hause intensiv vor. Wenn nach dem Klinikaufenthalt noch keine Rückkehr in die häusliche Umgebung möglich ist, wird die Unterbringung in einer Nachsorgeeinrichtung in Abstimmung mit den Angehörigen durch die Rehaklinik organisiert. Bei Bedarf werden auch Medikamente verordnet, die die Stimmungslage verbessern.

Selbstverständlich gehören auch die Planung der Entlassung und erste Organisation der weiteren medizinischen und therapeutischen Maßnahmen zu den Aufgaben der Rehabilitation. Hierbei unterstützt Betroffene der Sozialdienst der Klinik. Neben teilstationären und ambulanten Angeboten kann hier gegebenenfalls auch die wiederholte stationäre Rehabilitation indiziert sein.

Je nachdem wie stark die Hirnblutung war, kann es mehrere Jahre dauern, bis der Betroffene sich wieder eigenständig versorgen kann. Geduld, Ausdauer, Initiative und die Unterstützung der Angehörigen werden stark gefordert.

In einigen Fällen bleibt es jedoch bei irreversiblen Restsymptomen. Teilweise ist dann eine dauerhafte häusliche Pflege oder sogar eine Heimunterbringung notwendig.

Zum Thema der Fahrtauglichkeit eines KFZ im öffentlichen Straßenverkehr ist nach operativ behandelten Hirnblutungen mindestens drei bis sechs Monate keine Fahrtauglichkeit gegeben. In allen anderen Fällen muss nachfolgend eine individuelle Entscheidung getroffen werden.

Portrait von Dr. med. Axel Petershofer.

Ärztlicher Direktor und Chefarzt Neurologie
 

Portrait von Dr. rer. medic. Volker Völzke.

Leitung Therapie, Psychologie und Neuropsychologie