Die Anzahl essgestörter Personen mit und ohne Stoffwechselstörungen nimmt weltweit zu und längst sind Adipositas , Anorexie und Bulimie den meisten Menschen ein Begriff. Neben diesen dreien gibt es aber noch andere Verhaltensstörungen rund um das Essen, wie z.B. die Binge-Eating-Disorder, die oftmals schwere gesundheitliche Konsequenzen haben. Auch die Psyche leidet, denn eine Essstörung dominiert die Gedanken und Gefühle sowie die Beziehungen der Betroffenen.
Der folgende Beitrag wirft Licht auf das Krankheitsbild Essstörung, seine verschiedenen Formen und klärt darüber auf, welche Therapiemöglichkeiten es gibt und wie eine Reha-Behandlung im Falle einer Essstörung aussieht.
Bei Essstörungen handelt es sich um psychosomatische Erkrankungen, die sich in einem gestörten Verhältnis zum Essen und einem problematischen Blick auf den eigenen Körper äußern. Im Wesentlichen unterscheidet man zwischen drei Gruppen:
Es sind auch Mischformen möglich. Alle Formen der Essstörung sind gut behandelbar - ohne eine adäquate Therapie können sie jedoch einen problematischen Verlauf nehmen und sogar tödlich enden.
Die Gründe für Essstörungen sind vielfältig:
Adipositas ist ein Krankheitsbild bei dem die Betroffenen regelmäßig wesentlich mehr Kalorien zu sich nehmen als es der Tagesbedarf erfordert. Teilweise leiden die Patienten unter Essattacken (Binge Eating), bei der sehr große Nahrungsmengen ohne anschließendes Erbrechen aufgenommen werden.
Dadurch geht im Laufe der Zeit das Sättigungsgefühl verloren, sodass es zu einem Teufelskreis kommt. Dies führt bei einem Teil der Patienten zu einer sehr hohen Gewichtszunahme mit nachfolgenden körperlichen und psychischen Folgeerkrankungen.
Für die Betroffenen ist das Essen wie eine Sucht. Sie verlieren teilweise völlig die Kontrolle über das Essverhalten, was oft mit einem hohen Leidensdruck verbunden ist. Das hohe Körpergewicht kann mit einer Reduzierung der Beweglichkeit und einem sozialen Rückzug verbunden sein und der damit einhergehenden Vereinsamung. Das führt häufig zu Ängsten und einem sozialen Abstieg und zu einer Gefährdung der Erwerbstätigkeit.
Wegen der teilweise erheblichen psychischen und körperlichen Folgeerkrankungen empfiehlt sich für die Patienten eine stationäre Therapie in einer auf diese Störungsbilder spezialisierten Rehaklinik. Dort werden die Patienten in einem multimodalen Setting durch verschiedenen Berufsgruppen behandelt, um sie auf das ambulante Setting und ihren Alltag vorzubereiten, sowie die Teilhabe am Leben wieder herzustellen.
Betroffene mit einer Essstörung haben in der Regel einen hohen Leidensdruck. Sozialer Rückzug, Ängste und Schuldgefühle entstehen. Eine begleitende Psychotherapie ist bei der Behandlung von Essstörungen daher entscheidend.
Psychotherapie ist neben Therapien wie Ernährungsberatung, Kreativtherapien und Bewegungstherapie von entscheidender Bedeutung. Es gibt ein Behandlungskonzept für schwerstadipöse Patienten mit einem Maximalgewicht von 350 kg. Hierbei wird insbesondere berücksichtigt, dass die betroffenen Patienten teilweise schon weitgehend immobil sind. Die Wiedergewinnung der Teilhabe am sozialen Leben steht im Mittelpunkt der Behandlung.
Eine Magersucht (Anorexia nervosa) äußert sich darin, dass die Erkrankten ihr Essverhalten stark einschränken und immer mehr abnehmen. Die Magersucht geht mit einer Körperschemastörung einher, also einer verzerrten Wahrnehmung des eigenen Körpers. Betroffene nehmen extrem ab, überschätzen aber ihren Körperumfang und haben häufig panische Angst davor, wieder zuzunehmen. Es beginnt ein Teufelskreis: Schon bei wenigen Gramm mehr auf der Waage wird das Essverhalten noch strenger kontrolliert.
Darüber hinaus treiben viele der Erkrankten extrem viel Sport, haben einen unkontrollierten Bewegungsdrang und verwenden häufig auch Appetitzügler oder Abführmittel.
Eine Magersucht wird dann diagnostiziert, wenn das Körpergewicht mindestens 15 Prozent unter dem für Alter, Geschlecht und Größe als normal erwarteten Gewicht liegt. Bei Erwachsenen entspricht das einem BMI von unter 18.
Die Behandlung magersüchtiger Personen wird häufig erschwert durch die Tatsache, dass keine Krankheitseinsicht vorliegt. Grund dafür ist, dass sich die Betroffenen trotz Untergewicht als zu dick wahrnehmen und sich nicht als krank empfinden.
Aufgrund des Gewichtsverlusts und der Mangelernährung sind folgende schwerwiegende körperliche und psychische Schäden möglich:
Weitere Begleiterkrankungen können auftreten:
Betroffene, die diese Symptome bei sich feststellen, sollten sich möglichst frühzeitig professionelle Hilfe suchen. Das ist bereits dann ratsam, wenn sich die Gedanken nur noch um Essen und Gewicht drehen und das Leben stark beeinflussen. Magersucht ist eine ernstzunehmende Erkrankung; circa 10 Prozent der Betroffenen sterben an ihrer Krankheit.
Unter rehabilitativen Gesichtspunkten können diese psychischen und körperlichen Schäden zu starken Einschränkungen bei der Berufsausübung sowie Qualifikation in Schule und Studium führen.
Die Rehabilitanden sind eng an die Ernährungstherapie angebunden. Für eine Rehabilitation müssen sie an einem Rehasetting teilnehmen können, z.B. sich im Speisesaal nach Vorgaben selbst Essen holen. Für den Übergang kann „Betreutes Essen“ initiiert werden, d.h. Ernährungsberater stehen im Speisesaal zur Beratung und Hilfe bereit.
Unterstützend zur Psychotherapie werden Psychoedukation und spezielle Entspannungsverfahren erlernt. Sport- und Bewegungstherapie wird individuell abgestimmt.
Bulimie (Bulimia nervosa) bezeichnet ein Krankheitsbild, bei dem die Betroffenen unter regelmäßigen Ess- und Brechanfällen leiden. Patienten mit einer Bulimie können sowohl unter-, normal- als auch übergewichtig sein, haben aber in der Regel ein sehr schlankes Körperideal.
Wie bei der Magersucht haben die Erkrankten extreme Angst vor einer Gewichtszunahme und versuchen deshalb, die aufgenommene Nahrung (Kalorien) wieder loszuwerden. Meist geschieht dies in Form von selbst herbeigeführtem Erbrechen. Aber es gibt auch Phasen übermäßigen Hungerns, ein extremes Maß an Sport oder die Einnahme von Abführmitteln.
Auch die Bulimie geht oft mit einer verzerrten Wahrnehmung des eigenen Körpers einher.
Symptome der Bulimie sind
Die Nahrungseinschränkung führt zu Heuißhungerattacken mit weiteren Essanfällen und zeitnahem Erbrechen. Typisch ist auch ein sehr niedriges Selbstwertgefühl. Da die Betroffenen unter großen Schamgefühlen leiden, spielt sich die Bulimie meist heimlich ab und führt in vielen Fällen zur sozialen Isolation.
Die Bulimie hat neben psychischen Problemen wie Depression und Selbsthass auch körperliche Folgen:
Auch bei Menschen, die an Bulimie erkrankt sind, kann „Betreutes Essen“ (vgl. Anorexie) hilfreich sein. Hier sollen Essanfälle vermieden und der Genuss am Essen wieder erlernt werden.
Weitere Therapien sind
und natürlich Kreativtherapien und Psychotherapie im Einzel und in der Gruppe.
Die Orthorexie ist ein relativ neu definiertes Phänomen. Hier dominiert ein zwanghaft „gesundes“ Essverhalten. Die Beschäftigung mit Nahrungsmittel beeinträchtigt die Betroffenen so sehr, dass sie ihren normalen Alltag nicht mehr bewältigen können. Oft entwickeln die Patienten daraus eine Anorexie, da die Nahrungsauswahl die Betroffenen stark einschränkt.
Es muss eine eingehende Diagnostik erfolgen. Folgende Symptome können beispielhaft Anzeichen für eine Orthorexie sein:
Der Genesungsprozess bei einer Essstörung ist langwierig und die Gefahr groß, dass es zu einer chronischen Erkrankung kommt. Die beste Chance auf einen günstigen Krankheitsverlauf besteht, wenn sich die Erkrankten frühzeitig Hilfe suchen. Die Therapiemöglichkeiten reichen von
Ob eine ambulante oder stationäre Therapie sinnvoller ist, sollte immer einzelfallabhängig, in Absprache mit Ärzten und/oder Psychotherapeuten und in Abhängigkeit vom BMI und der körperlichen und psychischen Befindlichkeit entschieden werden.
Insbesondere bei der Magersucht, bei der oft eine hohe körperliche Gefährdung besteht, wird häufig zunächst eine stationäre akute Therapie empfohlen, auf die später eine ambulante Psychotherapie folgt. Nicht selten sind auch mehrere stationäre Aufenthalte nötig, da der Übergang von der Klinik in den Alltag häufig zu Rückfällen führen kann.
Essstörungen lassen sich durch eine rein medikamentöse Behandlung nicht heilen. Von entscheidender Bedeutung ist eine Psychotherapie, gegebenenfalls begleitet von Medikamenten, die bessere Wahl. Beispielsweise kann Patienten mit Bulimie, die unter Depressionen leiden, ein Antidepressivum helfen.
Zur nachhaltigen Sicherung des Behandlungs- und Therapieerfolges ermöglichen Selbsthilfegruppen den Austausch mit anderen Betroffenen, was eine entlastende Wirkung haben kann. Den Betroffenen werden neue Wege aufgezeigt und sie profitieren von den Erfahrungen und Tipps der anderen. Die Gruppen werden häufig von Beratungsstellen für Essstörungen angeboten.
In der Rehaklinik werden Betroffene von einem Team aus
betreut. Das stationäre Therapieprogramm wird individuell an die Bedürfnisse des Patienten angepasst und besteht aus
Das geschützte Umfeld der Klinik ermöglicht es den Betroffenen, sich intensiv mit ihren Problemen zu beschäftigen und an ihnen zu arbeiten.
In der Reha werden Analysen der dysfunktionalen Ess-Verhaltensmuster durchgeführt und eine Umstellung der Ernährungs- und Lebensgewohnheiten eingeleitet. Begleitet wird dies von medizinischen Untersuchungen sowie einer eingehenden Diagnostik und Indikationsstellung.
Ziel der Psychotherapie ist nicht nur, die Essstörungssymptome zu mindern, also zum Beispiel das Essverhalten und Gewicht zu normalisieren, sondern auch die zugrunde liegenden psychischen Probleme (zum Beispiel geringer Selbstwert, Depression ) zu behandeln. Die therapeutische Arbeit hilft, sich über die eigenen Gefühle klar zu werden und Situationen und Gedanken zu reflektieren. Langfristig zielt sie darauf ab, Ursachen und Auslöser der Essstörung freizulegen und die Symptomatik erhaltenden Faktoren abzubauen.
In einer Rehabilitationsklinik erfolgt die Therapie nach leitliniengerechten Therapiekonzepten unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse des Patienten mit dem Ziel, seine individuellen Ressourcen für eine baldige Rückkehr in den Alltag zu stärken.
Essstörungen gehören zu den psychischen Erkrankungen und sind mit psychischen, aber auch körperlichen Belastungen verbunden. Es sind ernsthafte Erkrankungen, deren zentraler Punkt das ständige gedankliche Beschäftigen mit dem Thema Essen ist und die unbedingt professionell therapiert werden müssen. Die Behandlungsmöglichkeiten reichen von ambulanter Psychotherapie, Akutklinik für Essstörungen bis zu Aufenthalten in der Rehabilitationsklinik.
Chefarzt Rehabilitation