Alkoholsucht

Zuletzt aktualisiert: 01.07.2024 | Lesedauer: ca. 12 Min.

Alkoholabhängigkeit wurde früher auch als „Alkoholsucht“ bezeichnet, Begriffe wie Alkoholismus, „Alkoholiker“, „Quartalssäufer“, „Komasäufer“ stigmatisieren die Betroffenen jedoch und deshalb spricht man nun von Substanzkontrollstörungen bzw. Alkohol-kontrollstörung. Dies beschreibt das Dilemma, in dem die Betroffenen stecken, nämlich den absoluten Kontrollverlust über Beginn und Ende des Alkoholkonsums und über die Menge.

Rund 10 Prozent der Bevölkerung haben einen problematischen Konsum von Alkohol und der Übergang zur Alkoholkontrollstörung ist fließend. So ist ein anfänglich sozial akzeptierter Konsum, sehr schnell zu einem problematischen Konsum mit all seinen körperlichen, geistigen und vor allem auch sozialen Folgen geworden.

In dem Begriff sozial akzeptierter Konsum versteckt sich bereits eine weitere Wahrheit. Auch dieser Konsum ist bereits oft problematisch und oft sehr unterschiedlich. In Peer Groups oder in verschiedenen Kulturen gelten andere Konsumgewohnheiten als verträglich, was jedoch nichts über die negativen Konsequenzen des regelmäßigen Konsums aussagt.

In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf die Ursachen, Symptome und Behandlungs-möglichkeiten. Wie andere Suchterkrankungen spielen spezialisierte Rehakliniken hier eine wichtige Rolle, um über einen längeren Zeitraum Unterstützung zu bieten, die erlernten Bewältigungsstrategien zu festigen und Rückfälle zu vermeiden.

Was sind Anzeichen einer Alkoholsucht?

Bei einer Alkoholabhängigkeit steht der regelmäßige Alkoholkonsum im Mittelpunkt. Typisch ist, dass Betroffene den Alkoholkonsum nicht mehr kontrollieren können.

Diese Suchterkrankung tritt in unterschiedlicher Ausprägung auf und kann verschiedene gesundheitliche und soziale Folgen haben. Oft erkennen Betroffene ihr Suchtverhalten nicht bewusst, obwohl das Verlangen nach Alkohol ihren Alltag stark beeinflusst und auch für ihr Umfeld erkennbar ist. Auch für Außenstehende ist es nicht einfach, einen „Alkoholiker“ zu erkennen.

Diagnostisch relevante Symptome einer Alkoholabhängigkeit sind unter anderem körperliche und psychische Anzeichen:

  • Körperliche Symptome:
    • Koordinations- und Bewegungsstörungen
    • Undeutliches Sprechen
    • Gerötete Gesichtsfarbe
    • Schweißausbrüche
    • Vermehrter Harndrang
    • Entzugssyndrom nach längerer Unterbrechung des Konsums
    • Vernachlässigung der Körperhygiene bis zur Verwahrlosung
  • Psychische Symptome:
    • Craving bzw. Suchtdruck (unbezwingbares Verlangen nach Alkohol)
    • Toleranzentwicklung (es kommt nicht oder erst nach großem Konsum zu einem Rausch)
    • Fortgesetzter Konsum trotz negativer körperlicher, psychischer oder sozialer Folgen
    • Kontrollverlust
    • Vernachlässigung von persönlichen und beruflichen Interessen
    • Strukturierung des Alltags um die Sucht herum

Ursachen für eine Alkoholabhängigkeit

Grundsätzlich ist die Substanzkontrollstörung/Alkoholabhängigkeit weder am Bildungsstand noch am Beruf oder am Familienstatus determiniert. Viel eher geht es um inadäquate Problemlösestrategien bei diversen Auslösern wie z.B. Krankheit, soziale Beziehungen oder wirtschaftlichen Problemen. Es geht um Fragen, wie: „Wie habe ich gelernt mit Herausforderungen umzugehen?“, „Welche positiven und negativen Beispiele konnte ich kennenlernen – frei nach dem Motto Lernen am Vorbild?“. Eine genetische Veranlagung kann das Risiko für Alkoholabhängigkeit erhöhen, da bestimmte genetische Varianten die Reaktion des Körpers auf Alkohol beeinflussen können, wie verschiedene Studien u.a. in Zwillingsstudien festgestellt haben.

Schlussendlich kann eine Alkoholabhängigkeit nicht auf eine einzelne Ursache zurückgeführt werden, sondern ist eine komplexe Wechselwirkung.

Person gibt anderer Person ein Glas mit Alkohol, welche mit Geste ablehnt.

Diagnose einer Alkoholsucht

Die Behandlung von Patienten mit einer Alkoholabhängigkeit richtet sich nach dem Grad und der Dauer der Abhängigkeit, nach eventuell bestehenden Begleiterkrankungen und schließlich auch nach persönlichen Kriterien wie Alter, Geschlecht sowie psychischen und sozialen Faktoren.

Bei der Diagnosestellung stellen Ärzte und Therapeuten deshalb viele Fragen, aus denen sich wertvolle Erkenntnisse für die Planung einer effektiven Entwöhnungsbehandlung gewinnen lassen. Häufige diagnostische Fragen sind beispielsweise:

  • Haben Sie schon einmal selbst versucht, vom Alkohol loszukommen?
  • Wie lange konnten Sie ohne Alkoholkonsum auskommen?
  • Sind Sie schon einmal beruflich oder privat wegen Ihres Trinkens aufgefallen?
  • Haben Sie Schuld- oder Schamgefühle wegen Ihres Trinkens?
  • Haben Sie schon einmal einen Alkoholentzug in einer Suchtfachklinik durchgeführt?
  • Haben Sie während Ihres Alkoholentzuges unter Entzugserscheinungen wie Schwitzen, Zittern, Herzrasen, Durchfall, Übelkeit, Nervosität und/oder verminderter Konzentrationsfähigkeit gelitten und den Entzug deshalb abgebrochen?
  • Woran ist ihrer Meinung nach der Entzugsversuch gescheitert? Gibt es Faktoren, die Sie an der Umsetzung von Entzugsmaßnahmen gehindert oder den Entzug erschwert haben?

Damit die Diagnose Alkoholabhängigkeit gestellt werden kann, müssen mindestens drei der folgenden Kriterien gleichzeitig in einem Jahr auftreten:

  • Es besteht ein starkes Verlangen, Alkohol zu trinken.
  • Die Betroffenen haben keine Kontrolle darüber, wann oder wie viel Alkohol sie trinken.
  • Es entstehen körperliche und psychische Entzugserscheinungen, wenn der Konsum gestoppt wird.
  • Es kommt zu einer Toleranzentwicklung, sodass eine immer größere Menge Alkohol getrunken wird, um dieselbe Wirkung zu erzielen.
  • Es kommt zu einer Vernachlässigung anderer Interessen.
  • Obwohl der Alkoholkonsum negative Folgen nach sich zieht, hören die Betroffenen nicht auf zu trinken.

Therapie von Alkoholismus

Sind die individuellen Kriterien für einen Alkoholentzug geklärt, legen die Ärzte gemeinsam mit den Betroffenen ein Therapievorgehen fest. Dieses soll den Patienten größtmögliche Unterstützung bieten und realistisch durchführbar sein.

In vielen Fällen ist zunächst eine stationäre Entzugsbehandlung ("Entgiftung") in einer Klinik ratsam, seltener wird eine ärztlich unterstützte ambulante Entzugsbehandlung empfohlen.

Die Therapie gliedert sich in beiden Fällen in vier Phasen:

1. Phase: 
Die Kontakt- und Motivationsphase. Patienten werden hier ärztlich begleitet in ihrer Entscheidung für eine Therapie bestärkt.

2. Phase:
Die Entgiftungsphase, in welcher der eigentliche Entzug – zum Teil auch unterstützt durch Medikamente und unter ärztlicher Aufsicht – erfolgt.

3. Phase:
Die Entwöhnungsphase. In dieser Phase gewöhnen sich die Betroffenen nach und nach an ein Leben ohne Alkohol. Dabei kommen verschiedene psychotherapeutische Verfahren zum Einsatz, die eine anhaltende Verhaltens- und Erlebensänderung erleichtern und unterstützen.

4. Phase:
Die Nachsorgephase, die zur körperlichen und vor allem psychischen Stabilisierung nach dem Entzug dienen und die Rückfallwahrscheinlichkeit reduzieren soll.

Die Dauer einer vollumfänglichen Therapie ist von individuellen Faktoren abhängig. Gewöhnlich ist der körperliche Entzug nach einigen Tagen abgeschlossen.

Damit ist die Behandlung einer Abhängigkeitserkrankung aber noch nicht beendet, denn der Konsum von Alkohol aufzugeben, kann Monate dauern.

 

Ablauf der Entgiftungsphase

Es gibt zwei grundlegende Ansätze für die Entgiftung bei einer Substanzkontrollstörung: den "kalten Entzug" ohne medikamentöse Unterstützung und den ärztlich begleiteten Entzug, bei dem der Arzt Medikamente zur Linderung der Entzugssymptome verschreibt. Beide erfordern einen vollständigen Alkoholverzicht, der den Körper vor eine große Herausforderung stellt.

Für eine bestmögliche Begleitung bei der Entgiftung ist eine ärztliche Begleitung unerlässlich. Die eingesetzten Medikamente sollten nur für einen begrenzten Zeitraum und unter ärztlicher Aufsicht eingesetzt werden, da sie krampflösende, beruhigende oder angstlösende Wirkungen haben. Häufig verwendete Wirkstoffe sind Clomethiazol, Benzodiazepine und Antiepilptika.

Eine weitere Möglichkeit, die Alkoholabhängigkeit zu bekämpfen, ist ein schrittweiser "ausschleichender" ambulanter Entzug. Dabei reduzieren die Betroffenen ihre Trinkmenge allmählich und führen ein Tagebuch, während Ärzte und Suchttherapeuten sie begleiten und überwachen.

 

Ablauf der Entwöhnungsphase

Die Behandlung von betroffenen Patienten ist in der Regel zweistufig: Nach der Entgiftung folgt in den meisten Fällen eine teilstationäre oder stationäre Entwöhnungsbehandlung („Langzeitbehandlung“) in einer Klinik. Eine Alternative bietet eine ambulante Entwöhnung in Zusammenarbeit mit einer Suchtberatungsstelle.

Zunächst entscheidet der Arzt gemeinsam mit dem Betroffenen, welche Form im individuellen Fall besser geeignet ist. 

 

Die (teil-)stationäre Entwöhnungsbehandlung bei Alkoholismus

Vorteil einer Entwöhnung in einer Rehaklinik ist:

  • die jederzeitige Verfügbarkeit ärztlicher und psychotherapeutischer Hilfe sowie
  • das geschützte Setting.

Insbesondere die geschützte Umgebung der Klinik soll es den Patienten leichter machen, auf den Alkohol zu verzichten und von der Gewohnheit loszukommen. So ist es möglich, eine Zeit lang dem gewohnten Alltag zu entkommen, um sich ganz der eigenen Gesundheit zu widmen. Einem Alltag, der mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Rolle für die Sucht gespielt hat. In der Klinik können außerdem psychische und körperliche Folgen der Sucht behandelt werden.

Eine stationäre Entwöhnungsbehandlung bei einer Alkoholabhängigkeit dauert zwischen 8 und 16 Wochen. Hierbei können verschiedene Therapiefelder kombiniert und zielgerecht eingesetzt werden:

  • Gruppen- und Einzelpsychotherapie
  • Sport- und Bewegungstherapie
  • Kunst- und Kreativtherapie
  • Entspannungsverfahren
  • sozialarbeiterische und ärztliche Unterstützung

 

Die ambulante Entwöhnungsbehandlung bei Alkoholismus

Eine ambulante Entwöhnungsbehandlung in einer Suchtberatungsstelle kann für manche Alkoholabhängige die praktikablere Option darstellen, z.B.  dann, wenn die Berufstätigkeit während der Therapie nicht aufgegeben werden kann oder Kinder zu versorgen sind. Eine ambulante Entwöhnungsbehandlung kann über einen wesentlich längeren Zeitraum von 1 bis 2 Jahren gehen.

Die Nachsorgephase

Nach einer erfolgreichen Alkoholrehabilitation ist eine Nachbetreuung durch Ärzte und/oder Psychotherapeuten sinnvoll. Den Übergang von der Entwöhnung in den beruflichen und gesellschaftlichen Alltag kann eine Adaptionsmaßnahme unterstützen. Diese finden häufig stationär in einer spezialisierten Adaptionseinrichtung statt. Die Patienten haben hier die Möglichkeit, die Therapieerfolge unter Alltagsbedingungen zu festigen.

Nicht zuletzt stellen auch Selbsthilfegruppen eine wertvolle Unterstützung bei der Bekämpfung einer Sucht und der Bewältigung der Folgen der Abhängigkeit dar. Hier tauschen sich Betroffene aus und geben sich gegenseitig Hilfestellung.

Außerdem ist die Weiterbehandlung bzw. Nachsorge bei einer Suchtberatungsstelle und der regelmäßige Besuch einer Selbsthilfegruppe empfehlenswert, um eine erreichte Abstinenz auch dauerhaft abzusichern.

Mann im Gespräch während einer Einzeltherapie bei Psychotherapeut.

Zahlt die Krankenkasse bei einer Alkoholsucht?

Für gesetzlich Krankenversicherte entstehen bei Vorliegen der entsprechenden Indikation keine Kosten für eine stationäre Entzugsbehandlung. Eine stationäre Entwöhnungsbehandlung erfolgt entweder über den zuständigen Rentenversicherungsträger, wenn hierfür die Voraussetzungen gegeben sind, bzw. die jeweilige Krankenkasse.

Sie müssen die Entwöhnung allerdings beantragen und somit vom Kostenträger vorab genehmigen lassen. Das funktioniert am besten über eine Suchtberatungsstelle. Den ersten Kontakt kann auch Ihr Hausarzt für Sie herstellen.

Wie oft kann ein Alkoholentzug durchgeführt werden?

Grundsätzlich gibt es keine Beschränkungen bezüglich der Häufigkeit einer stationären Alkoholentgiftungsbehandlung. Die Sinnhaftigkeit einer weiteren Entwöhnungsbehandlung wird vom zuständigen Kostenträger nach erneuter Antragstellung geprüft. Sollten Sie hier eine wiederholte Behandlung benötigen, ist die Suchtberatungsstelle kompetenter Ansprechpartner für die Antragstellung.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass für alkoholabhängige Patienten in Deutschland sehr gute therapeutische Möglichkeiten zur Verfügung stehen, sobald der Entschluss zur Abstinenz vom Betroffenen gefasst wurde. Eine Alkoholentgiftung bzw. eine Alkoholentwöhnung lassen sich sowohl stationär als auch ambulant durchführen.

Neben einer medikamentösen Unterstützung stehen dabei verschiedene psychotherapeutische Therapiefelder zur Verfügung, die den Therapieerfolg langfristig stützen und die neu gewonnene Lebensqualität gegen mögliche Rückfälle absichern.

Häufig gestellte Fragen zu Alkoholismus

Was sind Anzeichen für einen „Alkoholiker“? 

Anzeichen für Alkoholabhängigkeit können vielfältig sein, darunter ein starkes Verlangen nach Alkohol, der Verlust der Kontrolle über den Konsum, das Fortsetzen des Trinkens trotz negativer Folgen sowie eine starke Beschäftigung mit dem Alkohol.

Wann gilt man als alkoholabhängig?

Als alkoholabhängig gilt jemand, der einen kontinuierlichen und übermäßigen Alkoholkonsum zeigt, der zu körperlichen Entzugserscheinungen führt, wenn er reduziert oder eingestellt wird, und der das Leben des Betroffenen stark beeinträchtigt.

Was ist der Unterschied zwischen Alkoholkrank und „Alkoholiker“?

Der Begriff "alkoholkrank" wird oft synonym mit "alkoholabhängig" verwendet, wobei der Fokus auf den gesundheitlichen Auswirkungen des Alkoholkonsums liegt. "Alkoholiker" bezieht sich häufiger auf Menschen mit einem starken Verlangen nach Alkohol und einer fortgesetzten Nutzung trotz negativer Folgen.

Welche Art von „Alkoholikern“ gibt es?

Es gibt verschiedene Arten von „Alkoholikern“, darunter den sozialen Trinker, der in sozialen Situationen übermäßig trinkt, den stabilen Trinker, der regelmäßig große Mengen Alkohol konsumiert, den Gelegenheitstrinker, der in bestimmten Situationen exzessiv trinkt, und den funktionierenden Alkoholiker, der trotz seiner Abhängigkeit weiterhin normal zu funktionieren scheint.

Portrait von Dr. Christoph Bätje
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Facharzt für Allgemeinmedizin

Chefarzt