Mindestlohn-Erhöhung stellt Rehakliniken vor finanzielle Probleme 05.04.2022

Zuletzt aktualisiert: 20.03.2024 | Lesedauer: ca. 3 Min.

Zum 1. Oktober 2022 soll der gesetzlich vorgegebene Mindestlohn in Deutschland auf 12 Euro pro Stunde steigen. Kliniken werden dadurch mit zusätzlichen Kosten belastet. Der Verband der Privatkrankenanstalten in Bayern e. V. (VPKA) kritisiert, dass die Erhöhung ein Eingriff in die Tarifautonomie sei. Die Gewerkschaft ver.di hingegen betont die Notwendigkeit einer Erhöhung des Mindestlohns.

„Tarifautonomie bedeutet, dass Unternehmen das Recht auf eine eigenständige Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen anhand von Tarifverträgen haben. Wir sehen die neuen Vorgaben als Einschnitt in dieses Recht“, erklärt Michael Strobach, der Geschäftsführer des Verbands. Er gibt außerdem zu beachten, dass die Anhebung des Mindestlohns zu Lohnanstiegen aller Gehaltsstufen führen kann.

Es werden bereits jetzt Forderungen laut, den Verdienstabstand zwischen den einzelnen Lohngruppen zu wahren. Konkret bedeutet dies, dass die Anhebung des Verdienstes in Entgeltstufe 1 eine Anhebung in allen folgenden Lohngruppen entlang der gesamten Gehaltstabelle nach sich ziehen könnte - die Folge ist ein deutlicher Anstieg der Personalkosten insgesamt.
Michael Strobach, Geschäftsführer Verband der Privatkrankenanstalten in Bayern e. V.

Die ständige unabhängige Mindestlohnkommission der Bundesregierung, deren Aufgabe es ist zu prüfen, welche Höhe des Mindestlohns einen Schutz der Arbeitnehmer:innen gewährleistet und gleichzeitig faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen erhält, hatte zuletzt einen Anstieg des Mindestlohns auf 10,45 Euro brutto beschlossen. „Warum der Gesetzgeber jetzt noch eine weitere Erhöhung im Oktober draufsattelt, ist uns angesichts der kritischen wirtschaftlichen Lage, in der sich viele Branchen seit Beginn der Pandemie befinden, nicht erklärlich“, kritisiert Strobach.

Akut-, Rehabilitations- und Vorsorgeeinrichtungen hatten in den letzten zwei Jahren mit coronabedingten Einnahmeausfällen und steigenden Kosten für Medizin- und Hygieneprodukte zu kämpfen. Die steigenden Personalkosten stellen die Kliniken vor zusätzliche finanzielle Probleme. „Sie können steigende Löhne nicht durch höhere Umsätze oder Anhebung der Preise erwirtschaften. Eine freie Preisgestaltung im Gesundheitswesen ist im Gegensatz zur freien Wirtschaft nicht möglich“, gibt Michael Strobach zu bedenken.

Der Bundesverband Deutscher Privatkliniken zeigt Verständnis für die Anhebung des Mindestlohns, fordert aber Zuschläge von den Kostenträgern bei der Vergütung für medizinische Rehabilitation und Vorsorge.

Bei allem Verständnis für die Entscheidung der Bundesregierung sehen wir für die Reha und Vorsorge enorme Probleme bei der Finanzierung der steigenden Lohnkosten. Die Kostenträger, die Krankenkassen und die Rentenversicherungsträger sitzen am längeren Hebel und lassen derzeit nicht mit sich über Mehrkosten verhandeln.
Thomas Bublitz, Geschäftsführer Bundesverband Deutscher Privatkliniken e. V.

Die Gewerkschaft ver.di betont hingegen die Notwendigkeit einer Erhöhung des Mindestlohns. Seit der Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 habe sich die Einkommenssituation von Millionen Menschen in Deutschland deutlich verbessert. Auch auf das Wirtschaftswachstum habe die Erhöhung positive Auswirkungen, da die private Konsumnachfrage deutlich steige. Weil sich die Höhe des Mindestlohns an der allgemeinen Lohnsteigerung und dem Durchschnittseinkommen im Land orientiert, sei eine Steigerung dieses Jahr notwendig. Besonders in den ostdeutschen Bundesländern, wo bisher 36,7 % der Beschäftigten weniger als 12 Euro pro Stunden verdienen, werde sich die Erhöhung des Mindestlohns auf viele Menschen positiv auswirken.

Geldscheine und Geldstücke auf einem Tisch. Darauf mit Würfeln gelegt das Wort "Mindestlohn".
Portrait von Lisa Valerie Valett.

ehemalige studentische Mitarbeiterin
DAS REHAPORTAL