Nach einer Brustkrebserkrankung kann es zu Bewegungseinschränkungen des gleichseitigen Armes sowie zur Einlagerung von Lymphflüssigkeit im entsprechenden Rumpfabschnitt und Arm kommen. Es können schmerzhafte Lymphödeme entstehen. Eine frühzeitige Lymphdrainage nach der Operation wird empfohlen, um solchen Beschwerden vorzubeugen.
Nach Venen und Arterien ist das Lymphgefäßsystem das drittgrößte Leitungssystem im Körper. Ein Netz aus Lymphgefäßen durchzieht den gesamten Körper. Durch dieses Netz fließt die Lymphflüssigkeit (Lymphe). Der sogenannte Motor dieses Systems sind die Lymphknoten. Sie befinden sich in größeren Ansammlungen in bestimmten Körperabschnitten, wie zum Beispiel in der Achsel, der Leiste oder im Bauchraum. Die Anzahl der Lymphknoten ist bei jedem Menschen verschieden.
Arterien bringen sauerstoffreiches Blut ins Gewebe. In den sogenannten Kapillaren verlässt das sauerstoffreiche Blut das System und versorgt die Zellen beziehungsweise das dort liegende Organ. Über die venösen Kapillaren werden ca. 80% des nun sauerstoffarmen Blutes wieder aufgenommen. Die restlichen 20% werden aus dem Gewebe über das Lymphgefäßsystem abtransportiert. Diese Lymphflüssigkeit (Lymphe) wird in die Lymphknoten geleitet, wo Bakterien, Fremdkörper und andere schädliche Stoffe herausgefiltert und schließlich zerstört werden. Die gereinigte Flüssigkeit gelangt danach über die großen Lymphgefäße zurück ins Blut.
Schon bei der Diagnostik durch eine Biopsie kann das Lymphgefäßsystem geschädigt werden. Für die Diagnostik wird häufig der naheliegende Lymphknoten (sog. Wächterlymphknoten) entnommen, da die Untersuchung unter dem Mikroskop zeigt, ob dieser Lymphknoten von Tumorzellen befallen ist und somit Aufschluss über das Stadium der Krebserkrankung geben kann. Bei einer Brustkrebsoperation werden meist mehrere Lymphknoten im Brust- und Achselbereich entfernt, um die Ausbreitung von Tumorzellen über die Lymphbahnen zu verhindern. Dies kann zu einer Abflussstörung der Lymphflüssigkeit aus dem oberen Rumpfbereich und des Armes der betroffenen Seite führen. Auch nach einer Bestrahlungstherapie kann es zu Schäden im Lymphgefäßsystem kommen. Hierbei zeigt sich die gleiche Symptomatik wie nach einer Entfernung der Lymphknoten. Eine Regeneration des geschädigten Lymphgefäßsystems ist nicht möglich.
Lagert sich Lymphflüssigkeit im Gewebe an, spricht man von einem Lymphödem. Der betroffene Bereich lässt sich meist schlechter bewegen und schwillt an.
Da die Anzahl der Lymphknoten bei jedem Menschen unterschiedlich ist, kann die Entnahme von nur einem Lymphknoten bereits eine Funktionseinschränkung des ganzen Lymphsystems mit sich bringen und zu einer Einlagerung von Lymphflüssigkeit im Gewebe führen. Nach einer Brustkrebsbehandlung schwillt dabei das umliegende Gewebe des Armes oder der Hand an. Der betroffene Bereich fühlt sich schwer an, lässt sich schlechter bewegen und die Haut ist angespannt und warm. Man spricht dann von einem Lymphödem. Unbehandelt kann dies im schlimmsten Fall bis zum Absterben des Gewebes führen. Nach der Entfernung der Lymphknoten wegen einer Brustkrebserkrankung entstehen bei etwa 2 von 10 Frauen Lymphödeme.
Manche Risikofaktoren für die Entstehung von Lymphödemen können Patient:innen nicht beeinflussen. Dazu gehören:
Andere Risikofaktoren hingegen sind beeinflussbar, sodass die Patient:innen hier vorbeugend aktiv werden können:
Bei einer Lymphdrainage führt der Therapierende sanfte, entstauende Massagegriffe an den entsprechenden Körperabschnitten durch. Diese Therapieform wird von den meisten Patient:innen als entspannend und schmerzlindernd empfunden. Das Ziel des Therapierenden ist, die überschüssige Lymphflüssigkeit in Richtung noch vorhandener Lymphknotengruppen zu verschieben und den Lymphfluss zu aktivieren. Während der Lymphdrainage sollte das zu behandelnde Gebiet frei von Kleidung sein. Generell sollte am betroffenen Arm keine Uhr getragen werden und außerdem darauf geachtet werden, dass die Kleidung nicht einschnürt.
Eine Lymphdrainage ist immer nur Teil einer Therapie, da sich in Kombination mit anderen Methoden die besten Ergebnisse erzielen lassen. Beim Ersttermin werden eine Anamnese, eine Abfrage der Beschwerden, sowie ein ausführlicher Messbefund erstellt. Anhand dessen wird von dem Therapierenden die Behandlung durchgeführt.
Die Behandlung gliedert sich in zwei Phasen:
Als wirkungsvollste Therapie gilt die komplexe physikalische Entstauungstherapie.
Sie besteht aus drei Säulen:
Die Behandlung wird vom physiotherapeutischen Fachpersonal oder dem/der medizinischen Masseur:in durchgeführt. Beide Berufsgruppen benötigen für die Durchführung eine Zusatzausbildung für die Lymphtherapie. Um eine Lymphdrainage mit Kompressionsbehandlung in Anspruch nehmen zu können, benötigt man eine entsprechende Verordnung, d.h. ein Rezept. Dieses Rezept darf durch den behandelnden Arzt oder Ärztin ausgestellt werden. Eine komplexe physikalische Entstauungstherapie kann sowohl als ambulante Therapie als auch im Rahmen einer stationären Reha durchgeführt werden.
Wie viele Behandlungen verordnet werden, hängt davon ab, ob es sich um ein chronisches Lymphödem handelt oder nicht. Bei einem chronischen Ödem kann das fachärztliche Personal bereits ab der ersten Verordnung 24 Behandlungen mit einer Frequenzempfehlung von 2x wöchentlich und 36 Behandlungen mit einer Frequenzempfehlung von 3x wöchentlich verschreiben. Anderenfalls werden vorerst nur sechs Behandlungen verschrieben. Je nach Bedarf können nach Ablauf der Verordnung weitere Therapien verschrieben werden.
Der Behandlungsbedarf unterscheidet sich auch je nach Behandlungsphase. In der Akutphase (Entstauungsphase) sind mehrere Termine in der Woche notwendig, um eine schnelle Besserung zu erzielen. In der Erhaltungsphase sind die Behandlungsintervalle individuell zu gestalten.
Der/die behandelnde Therapeut:in kann einfache Griffe zeigen, die auch selbstständig durchgeführt werden können. Ohne vorherige Anleitung sollten Lymphödeme jedoch nicht eigenständig behandelt werden.
Körperliche Aktivität kann helfen, die Funktion des Lymphsystems anzuregen. Außerdem sollten Patient:innen darauf achten, vor und nach der Behandlung ausreichend zu trinken, damit die Lymphflüssigkeit ausgeschieden werden kann.
Bei Vorliegen bestimmter Erkrankungen sollte eine Lymphdrainage nicht durchgeführt werden. Dazu zählt vorrangig die Herzinsuffizienz . Da bei einer Lymphdrainage größere Flüssigkeitsmengen in den Blutkreislauf gelangen, stellt sie eine besondere Herausforderung für das Herz dar. Liegt eine Herzinsuffizienz vor, kann diese erhöhte Belastung eine Gefahr für den Körper werden. Auch bei Thrombosen oder Entzündungen kann die Behandlung dem Körper zusätzlich schaden. Bei anderen Erkrankungen muss die Behandlung etwas abgewandelt werden. Dazu zählen Schilddrüsenfunktionsstörungen, abgelaufene Thrombosen oder Asthma . Wenn Begleiterkrankungen vorliegen, sollte in jedem Fall mit dem/der behandelnden Arzt/Ärztin und dem/der Physiotherapeut:in abgesprochen werden, ob die Durchführung einer Lymphdrainage möglich ist.
Es gibt verschiedenen Operationstechniken, von Brusterhaltenden Operationen bis hin zum direkten Wiederaufbau der Brust welche zu einer Störung der Beweglichkeit im Schulter-/Armbereich führen kann.
Durch gezielte Bewegungsübungen kann hier direkt nach der Operation entgegen gewirkt werden. Diese Form der Physiotherapie findet häufig schon im Krankenhaus statt.
Im Rahmen der Nachbehandlung werden mögliche Störungen des Lymphgefäßsystems meist frühzeitig erkannt und können somit direkt behandelt werden. Aufgrund der fehlenden Regenerationsfähigkeit des Lymphsystems liegt in den meisten Fällen ein langfristiger Behandlungsbedarf vor. Durch eine regelmäßige Entstauungstherapie kann möglichen Symptomen entgegengewirkt werden.
Fachbereichsleitung Physiotherapie