Reha-Kolloquium Hannover – Ein Rückblick 28.02.2023

Zuletzt aktualisiert: 19.06.2024 | Lesedauer: ca. 7 Min.

„Veränderungskultur fördern - Teilhabe stärken – Zukunft gestalten“ so lautete das Motto des 32. Reha-Kolloquiums in Hannover. Über 1.400 Expert:innen aus dem Rehabilitationswesen nahmen an dem Kongress vor Ort und weitere per Streaming teil.

Frau Gundula Roßbach, Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung Bund betonte während der Kongresseröffnung die Herausforderungen und neuen Ansätze für die Rehabilitation und Teilhabe mit den Worten: „Es soll mehr digitale und hybride Angebote in der Prävention und Rehabilitation geben“ und „Die Rehabilitation soll individueller und gezielter werden.“. Auch Dr. Susanne Weinbrenner, Dr. Marco Streibelt und Prof. Dr. Thorsten Meyer hoben die Veränderungen der Zukunft im begleitenden Tagungsband hervor: Wir müssen Innovation und Weiterentwicklung als alltägliche Begleiter akzeptieren und dies für uns nutzen. Denn: Veränderung ist unsere neue Konstante!

Das REHAPORTAL hat sich aktiv mit einem Ausstellungsstand und mehreren Postern und Vorträgen an der Veranstaltung beteiligt. Themen waren unter anderem die Qualitätsbewertung im Portal, Ergebnisse von Forschungsprojekten zu Outcome-Messung mit PROMs und zu den Grundlagen des Public Reporting von Qualitätsergebnissen.

Ausstellungsstand vom REHAPORTAL auf dem DRV Kolloquium.

Die Poster

In der Postersession Orthopädie & Onkologie präsentierte Dr. Torsten Kirsch (VAMED Gesundheit Holding Deutschland GmbH) ein Poster zur sektorenübergreifende Erhebung von Patient-Reported Outcomes in der Orthopädie. Inhalt war hier das Studienprotokoll der künftig gemeinsam mit IQM geplanten sektorenübergreifenden Erhebung. Nachdem in einer vorherigen Pilotstudie nachgewiesen werden konnte, dass die PROMs-Instrumente in der Rehabilitation einsetzbar sind und valide, signifikante Ergebnisse mit einer Differenzierbarkeit zwischen teilnehmenden Rehakliniken liefern, soll die Folgeerhebung ausgeweitet werden. Es sollen sowohl Ergebnisse aus dem vor dem Rehaaufenthalt behandelnden Krankenhaus als auch eine 3-Monats-Katamnese erhoben werden. Ziel ist es, dass sektorenübergreifende PRO-Erhebungen eine umfassende Bewertung der Behandlungsqualität und des subjektiv empfundenen Behandlungserfolgs ermöglichen.

In der Postersession Neurologie stellte Prof. Holger Schulz (Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf) den Vergleich von PROMIS-10 und VR-12 zur Ergebnisqualitätsmessung in der neurologischen Rehabilitation vor. Datengrundlage war hier das Pilotprojekt zur PROMs-Erhebung in der Neurologie in Rehakliniken von Qualitätskliniken.de. In der Neurologie wurde die Ergebnisqualität anhand zweier Messinstrumente bei der Aufnahme und einer 3 Monate nach der Entlassung gemessen. Die Effekte waren in dieser Indikation nicht so hoch, wie in Pilotprojekten anderer Fachabteilungen zuvor. Es zeigt sich, dass die Messung der Ergebnisqualität in der neurologischen Reha mit PROMs wichtig, aber herausfordernd ist. Optimale Messzeitpunkte müssen noch gefunden und potentielle Selektionseffekte berücksichtigt werden.

Torsten Kirsch während eines Vortrags zu PROM's.

Diskussionsforen und Vorträge

In vielfältigen Vortragssessions präsentierten die Referent:innen sowohl interessante wissenschaftliche Erkenntnisse als gab es auch reichlich Gelegenheit für den inhaltlichen Diskurs. Im  Diskussionsforum "Vergleichende Ergebnismessung mit PROMs in der neurologischen Rehabilitation – Erfahrungen und Perspektiven" ausgerichtet von Expert:innen des REHAPORTALS und moderiert von Dr. Ralf Bürgy (MediClin GmbH & Co.KG) & Johannes Kneißl (Medical Park SE Amerang) wurde angeregt darüber diskutiert, welche Instrumente für die Ergebnismessung in der Neurologie geeignet sind, welche Messzeitpunkte sinnvoll scheinen und wie man zu guter Datenqualität gelangt. Mehrere PROMs-Studien und deren Ergebnisse wurden vorgestellt und Lösungsansätze diskutiert.
Wesentliche Erkenntnisse der Diskussionsrunde:

  • Fragebögen müssen einerseits valide und international vergleichbar sein, andererseits sind sie häufig zu lang und inhaltlich unverständlich für Patient:innen formuliert.
  • Ein Vergleich zwischen PROMIS und VR12 ergibt eine hohe Korrelation sowohl bei psychischer als auch physischer Skala. PROMIS wird auch bei der DRV in Betracht gezogen und schneidet in weiteren Pilotstudien gut ab.
  • Es wird kritisch diskutiert, ob ein neurospezifisches Instrument überhaupt sinnvoll sei. Die Rentenversicherung setzt derzeit auf die Beurteilung des Rehaerfolgs insgesamt und die Verbesserung des Gesundheitszustands.
  • Die Ergänzung von Befragungsdaten mit physischen, ggf. durch Wearables erhobenen Daten könnte künftig eine Rolle spielen.
  • Während Mediziner sich bei der Einschätzung des Gesundheitszustandes häufig für physische Aspekte der Gesundung interessieren, zeichnet sich ab, dass Patient:innen eher auf allgemeine, emotionale und psychische Aspekte der Erkrankung Wert legen. Funktionale Gesundheit aus Sicht der Patient:innen zu messen ist eine vernünftige Idee und geht weit über die Messung von Winkeln in der Orthopädie hinaus.
  • Die Interaktion zwischen ArztTherapeut-Patient und die tatsächliche Nutzung der PROMs zur Fortschrittmessung ist entscheidend. Ziel muss Patient Engagement sein!
  • Ein Vergleich von PROMsErgebnissen zwischen Kliniken ist möglich, wenn man ordentlich risikoadjustiert und die Instrumente gut sind. Man kann nicht grundsätzlich schlussfolgern, dass die Reha erfolgreich ist, aber man kann sagen dass die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass bei einer großen Effektstärke auch die Reha eine gute Wirkung hat.

In der Vortragssession "Reha-Qualitätssicherung" präsentierte Prof. Schulz (Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf) die klinikvergleichende Ergebnisqualität in der orthopädischen Rehabilitation mittels eines standardisierten Fremdratings. In einer Pilotstudie wurden Fremdratings – in diesem Fall der modifizierte Staffelstein - und vergleichend Patient Reported Outcomes (PROMs) in der Orthopädie in verschiedenen Indikationen erhoben. Es zeigte sich, dass für die Bestimmung der klinikvergleichende Ergebnisqualität in der orthopädischen Rehabilitation etablierte PROMs und weniger ein standardisiertes Fremdrating empfohlen werden können.

Holger Schulz hält beim Reha-Kolloquium einen Vortrag zu Patient Reported Outcomes.

Die Innovationswerkstatt brachte in diesem Jahr ein buntes Themenportfolio innovativer Modelle und Konzepte hervor. Von Projekten zur Nachhaltigkeit und Planetary Health über smarte Diagnostik, Konzepte für die Narkolepsie-Reha bis hin zu Public Reporting Plattformen war alles dabei. Durch abwechslungsreiche Formate wie dieses soll der Austausch über die Umsetzung von praxisnahen und anwendungsbezogenen Ansätzen zur Weiterentwicklung von Teilhabeleistungen frühzeitig gestärkt werden. Annabelle Neudam (4QD-Qualitätskliniken.de GmbH) präsentierte in diesem Panel, wie PROMs-Ergebnisse im Sinne eines patientenorientierten Public Reporting gestaltet werden kann. Dabei ist die gleichsam korrekte wie laienverständliche Darstellung von simplen und aggregierten Ergebnissen grundlegend. Über Plattformen mit einer hohen Sichtbarkeit können die Resultate Patient:innen entsprechend niedrigschwellig zugänglich gemacht werden. Eine vergleichende Darstellung von Kliniken und deren Ergebnisqualität auf der Basis von PROMs ist im Sinne des Public Reporting möglich. Die Veröffentlichung von PROMs im REHAPORTAL wird in weiteren Indikationen fortgeführt und schrittweise in Routineerhebungen überführt.

Annabelle Neudam am Pult vor ihrem Vortrag während DRV Reha-Kolloquium 2023.

Auch in diesem Jahr wurde wieder der Zarnekow Förderpreis verliehen. Preisträger ist Dr. David Fauser der Universität Lübeck mit seiner kumulativen Dissertation zu „Effekte medizinischer Rehabilitationsleistungen mittels Beobachtungsstudien und randomisierten kontrollierten Studien: Möglichkeiten und Grenzen“. Mit seiner Arbeit beantwortete er die Forschungsfragen „Wie wirksam ist die medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation im Vergleich zur medizinischen Rehabilitation bei onkologischen Erkrankungen und bei Muskel-Skelett-Erkrankungen?“ und  „Welchen Nutzen hat die medizinische Rehabilitation bei Personen mit Rückenschmerzen in der realen Versorgung?“

Die Illa und Werner Zarnekow-Stiftung schreibt den mit 5000€ dotierten Preis jährlich in Kooperation mit der Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften aus.

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Weitere Informationen

→ DRV Reha-Kolloquium
Portrait von Annabelle Neudam
Exam. Krankenschwester, Dipl. Gesundheitsökonomin, M. Sc. Health Care Management

Geschäftsführerin
DAS REHAPORTAL