Fünf Fragen an Florian Rüter 13.02.2025

Portrait von Gina-Sophie Labahn.
Gina-Sophie Labahn (Autor:in)
M.Sc. Public Health and Administration

Wissenschaftliche Mitarbeiterin
DAS REHAPORTAL

Zuletzt aktualisiert: 13.02.2025 | Lesedauer: ca. 5 Min.
Portrait von Dr. Florian Rüter mit dem Schriftzug "Fünf Fragen an ... Dr. Florian Rüter"

 

Dr. med. Florian Rüter, Facharzt für Herz- und Thorakale Gefäßchirurgie

Florian Rüter leitet die Abteilung Qualitätsmanagement & Value Based Healthcare in der Medizinischen Direktion des Universitätsspitals Basel (USB) und treibt mit seinem Team die Verbreitung von Patient Reported Outcome Measures (PROMs) voran, eingebettet in das Konzept einer Wert-basierten Medizin - Value Based Health Care (VBHC).

 

Er ist Facharzt für Herz- und Thorakale Gefäßchirurgie und hat sein Medizinstudium in Deutschland an der Universität Essen absolviert. Neben der chirurgischen Ausbildung führte ihn der organisatorische Aufbau eines Herztransplantationsprogrammes 1998 nach Basel, wo er seine Interessen durch klinisches und Qualitätsmanagement ergänzte. Er absolvierte die Studiengänge "Leadership im Gesundheitswesen" und "Teamdynamik im Wandel und Coaching" (Fachhochschule Nordwestschweiz) und schloss 2019 die Harvard Business School Executive Education "Strategy for Health Care Delivery" ab.
Schwerpunkt seiner Arbeit in Basel, als Gründungspräsident von VBHC Suisse sowie in verschiedenen Kommissionen und Arbeitsgruppen schweizweit und international liegt in der Verknüpfung qualitätssteigernder Maßnahmen mit dem Gesamtkonzept des Value Based Healthcare. Die Umsetzung des in der Unternehmensstrategie des USB verankerten Konzepts macht mit dem klinikübergreifenden Einsatz von PROMs für mittlerweile mehr als 20 Krankheitsbilder einen beispielhaften Schritt hin zu einer nachhaltigen Patientenzentrierung. Pilotprojekte für eine wertbasierte ökonomische Steuerung des bisher durch mengenbasierte Fallzahlen finanzierten Gesundheitssystems stehen für die Adaptation des VBHC-Konzeptes an zukünftige Herausforderungen.

Welche Bedeutung messen Sie PROMs im Kontext von Value-Based Healthcare (VBHC) persönlich bei und welche Rolle spielen diese Instrumente in der Schweiz?

Dr. Florian Rüter:  PROMs sind der ideale Einstieg in die zukunftsweisende wertbasierte Medizin und gleichzeitig wesentliche Säule des umfassenden VBHC-Konzeptes. Ihre Nutzbarkeit auf individueller Patienten- als auch auf Systemebene macht die PROMs zu einem der vielfältigsten Steuerungsinstrumente im Gesundheitswesen. Im VBHC-Kontext ergibt sich aus der Relation der Kosten zur Erreichung des mit PROMs auf Patientenebene standardisiert gemessenen Ergebnisses („Outcome“) der Wert („Value“) einer Behandlung. Lokal in Leuchtturmprojekten, regional in verschiedenen Kantonen und in national geförderten Projekten und Registern werden PROMs in der Schweiz zunehmend erhoben. Die systematische Nutzung im Behandlungspfad und Nutzung auf Systemebene steckt noch in den Kinderschuhen.

Können Sie uns ein konkretes Beispiel dafür geben, wie PROMs in Ihrem Arbeitsumfeld implementiert wurden?

Dr. Florian Rüter:  Seit der Implementierung der ersten PROMs für Brustkrebspatientinnen in 2017 wurden am Universitätsspital Basel (USB) über 20 krankheitsspezifische PROM-Befragungen implementiert. Mehr als 15.000 (Stand Ende 2024) Patientinnen und Patienten haben bisher teilgenommen. Wesentlich für den Erfolg ist die Überzeugung des Medizinischen Fachpersonals aus Ärzteschaft und Pflege mit der PROM-Nutzung den Behandlungspfad ihrer Patientinnen und Patienten zu verbessern. Zentral unterstützt durch eine geeignete Software zur komplett digitalen Erhebung sowie Unterstützung bei Implementierung und Schulung durch spezialisiertes Personal aus dem Qualitätsmanagement sind neben der „Top-down-Unterstützung“ der Spitalleitung „Bottom-up-Initiativen“ aus den Kliniken der Schlüssel für den Erfolg.

Welchen direkten und langfristigen Nutzen sehen Sie durch den Einsatz von PROMs und VBHC sowohl für Patient:innen als auch für Fachkräfte im Gesundheitswesen?

Dr. Florian Rüter: Durch den Einbezug der PROMs in den individuellen Behandlungspfad können Patientinnen und Patienten kurz- und langfristig intensiver eingebunden, ihre Wünsche, Vorstellungen und Präferenzen gezielter abgeholt werden. Konsultationen werden nutzbringender gestaltet, wenn durch den Einbezug der zuvor erhobenen PROMs Bereiche mit Handlungsbedarf identifiziert und gezielt angegangen werden können. PROMs in der Pflege können durch Stärkung der Verantwortung und Einbezug in die Behandlung die Arbeitsplatzattraktivität steigern. 

Welche Herausforderungen sehen Sie sowohl in der konkreten Umsetzung im Spital, als auch auf politischer Ebene bei der Integration von PROMs und VBHC in der Schweiz?

Dr. Florian Rüter: In Zeiten knapper Kassen ist die wenn auch überschaubare Primärinvestition in eine Erhebungssoftware und deren Einbindung in das Klinikinformationssystem die größte Hürde. 2. Herausforderung ist die Identifizierung „klinischer Champions“, die das Potential der PROMs erkennen und bereits sind diese als neuen Parameter in die Routine der Behandlung einzuführen. Spezielle Herausforderung in der Schweiz ist die kantonale Verantwortungshoheit für das Gesundheitswesen, die einem nationalen Herangehen entgegensteht.  

Welche zentralen Entwicklungen erwarten Sie für PROMs und VBHC in der Schweiz in den nächsten fünf Jahren?

Dr. Florian Rüter:  Der Blick in die Glaskugel ist wie immer schwierig. Wenn sich die Umfeldbedingungen nicht ändern, wird auf absehbare Zeit der Kostendruck das bestimmende Thema im Gesundheitssystem der Schweiz bleiben und monetäre wie geistige Investitionen hemmen. Das systemische Potential von VBHC die Qualität zu steigern UND die Kosten zu senken bietet für den einzelnen Leistungserbringer häufig zu wenig Ansporn innovativ und visionär zu denken. PROMs werden sich weiter etablieren, ihre vielfältige Nutzbarkeit im Sinne des VBHC-Konzeptes jedoch nicht vollständig ausgeschöpft werden.

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DAS REHAPORTAL führt ebenso PROMs-Studien in verschiedenen Fachbereichen durch. Bisher wurden rund 30.000 Patient:innen zu ihrem Behandlungserfolg befragt.

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